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Auf dem Weg zur Bewegung

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Peter Fischer ist kein Mann des Konflikts. Wäre er es gewesen, hätte der Fußball für uns wohl den gleichen Stellenwert wie Windhundrennen: eine potentielle Geldvernichtungsmaschine. Peter Fischer begleitete die a- und b-Klasse des Maturajahrgangs 1997 (BG Realschulstrasse Dornbirn) durch die letzten zwei Jahre Turnunterricht. Die a-Klasse war bis dahin ein etwas anderes Kaliber gewöhnt: Er hieß Zwischenbrugger und liebte das Tschukballspiel.

Tschukball funktioniert ungefähr so: Eindreschen eines Schweinslederballes auf ein aus Rosshaaren gespanntes Netz. Das gegnerische Team versucht, den mit voller Wucht geschossenen Ball möglichst nicht in Bodenkontakt kommen zu lassen. Eine Leichtigkeit angesichts der durchschnittlich erzielten Weite von 4 Metern. Z hatte kein Problem damit, bei Ungereimtheiten im Bodenturnen ein Befriedigend ins Zeugnis zu knallen und dadurch bei den Strebern, ungeachtet ihres sensiblen Gemüts, die erste Lebenskrise auszulösen. Außerdem führte er den „Hexentanz“ ein: durch lassoartiges Drehen eines Tauziehseiles (extrawiderstandsfähig) ermunterte er die mit aschfahlem Gesicht im Kreis stehenden Schüler, wollten sie nicht auf die Fresse fallen, zu unkoordinierter Hüpfakrobatik. Der Sieger, manchmal auch einfach der, der noch zu Sprechen imstande war, hatte die ruhmreiche Wahl: Tschukball oder Zirkeltraining.

Stand Zwischenbrugger für Autorität und eine Politik der Angst und Einschüchterung, hatten wir anfangs Probleme mit den uns von „Fipe“ gewährten Freiheiten. Wie ein geheilter Blinder ans Tageslicht mussten wir uns erst langsam an solch paradiesische Zustände gewöhnen: Basketball oder Volleyball oder Fußball! Und zwar ohne eine Tanzausscheidung. Die antidemokratischen Strukturen verlagerten sich dadurch eindeutig von der Lehrer- zur Schülerseite.

Die Masse wollte die Regelsimplizität und Männlichkeit des Fußballspiels auf unserem Außenplatz.
Was die anderen drei über die zwei Jahre in der Halle veranstalteten, haben wir nie erfahren.

Wir spielten bei jedem Wetter. 30 Grad im Schatten, Regenschauer, 10cm-Schneedecke – nichts hielt uns davon ab, mittwochs von 1030 bis 1200 Uhr das Wochenprestige aufzufetten und den Physik-Fetzen zu vergessen. Wir vergaßen sogar auf die große Pause, um noch eine Viertelstunde länger spielen zu können. Somit waren wir schon längst umgezogen, hatten Mannschaften gebildet und jagten bereits dem runden Leder nach, als Fipe noch mit seinen Turnlehrerkollegen beim Pausenkaffee saß. Wir hatten uns sozusagen von der pädagogischen Wurzel gelöst und uns tunrnstundentechnisch verselbständigt.

Wir waren also auf niemanden angewiesen, als auf uns selbst. Mittwochnachmittag freute man sich schon wieder auf Mittwochmorgen. Kam es vor, dass Fipe das Gewissen quälte und er sein Jahresprogramm auf einen 3 Kilometer-Lauf zur Furt reduzierte, rannten wir uns alle die Lunge aus dem Leib, um ja nicht wertvolle Minuten zu versäumen. Kurzum, allmählich wurden wir Fußball-besessen.

Dies war die seelische Geburtsstunde des Superfreunde-Geists: Sich unter widrigsten Umständen vollkommen auf seine Mitspieler verlassen zu können braucht mehr als nur einen Schulterklopfer nach der Blutgrätsche. Es braucht die totale Unterordnung unter die Prinzipien des Amateursports: Fairness, Kameradschaft, Zusammengehörigkeit statt Konkurrenzdenken und eine gehörige Portion Freude am Spiel.

Die „Lehrjahre“ prägten nicht nur unseren „Spirit“, zusätzlich kristallisierten sich dadurch unsere zukünftigen Positionen auf dem Feld heraus: Verteidigung, Mittelfeld, Angriff – wer nicht wusste, wohin er gehörte, dem wurde es am Mittwoch gesagt. Nicht mit dem Zeigefinger, das verbot unser hierarchiefreies System, auch nicht durch Fipe, denn sein Dulden war mehr ein Unterlassen. Einzig und allein die jedem von uns natürlich angeborene Begabung – von intuitivem Passspiel bis spitzen Zehen – war für die Aufstellung verantwortlich.

Kein Trainer dieser Welt wäre imstande, die Superfreunde zu trainieren.
Keiner.


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